Wie Angewandte Improvisation nachhaltig unsere Resilienz fördert
Sie sind sich darüber im Klaren, dass der Aufbau von Resilienz wichtig für das körperliche und seelische Gleichgewicht ist? Doch wie kommen wir dahin? Mit welcher Methode lässt sich die psychische Widerstandskraft nachhaltig aufbauen?
Wir von Neuroblitz nutzen Methoden der Angewandten Improvisation schon lange dazu, unsere Workshops anzureichern und den Teilnehmenden somit zu mehr Resilienz zu verhelfen. Da wir in der Vergangenheit regelmäßig Fragen zu dieser Herangehensweise bekommen haben, haben wir uns nun entschieden, in diesem Blog Artikel kurz und prägnant zu erklären, wie diese beiden Konzepte nachweislich in Verbindung stehen.
Angewandte Improvisation
Das Improvisationstheater (Improv) ist eine spezielle Form des Theaters, bei dem die Dialoge, Charaktere und Handlung spontan von den Schauspielenden kreiert werden. Es lebt, wie der Name vermuten lässt, von der Improvisation aller Beteiligten und grenzt sich durch das Fehlen eines Plans oder Skripts vom herkömmlichen Theater ab. Das Improvisationstheater baut auf einigen grundlegenden Prinzipien auf, die den Schauspielenden einen Handlungsrahmen geben. Das sogenannte Prinzip des „Yes and…“ (Ja, und) bildet dabei das Herzstück des Improv. Es besagt, dass die Schauspielenden alles akzeptieren, was die Anderen auf der Bühne (oder sogar im Publikum) sagen oder tun („Yes“) und die Szene durch eigene Impulse erweitern („and“). Ein weiteres essentielles Prinzip lautet „Fehler sind Geschenke“. Es betont, dass es im Zusammenhang mit Improvisation kein Richtig oder Falsch geben kann, sondern lediglich stärkere und schwächere Angebote, sowie Gelegenheiten, die Szene neu zu interpretieren. Diese und weitere Prinzipien schaffen eine offene Atmosphäre, in der Kollaboration, Akzeptanz, Fokus, Vertrauen und Spontanität gefordert sind. Die Angewandte Improvisation leitet sich als praxisorientierte Methode aus dem Improvisationstheater ab. Während sie im englischsprachigen Raum bereits recht etabliert ist, findet sie nun auch in Deutschland zunehmend Anklang. Sie hilft uns dabei, unsere Kommunikation, Kreativität und die Fähigkeit zum Lösen von Problemen zu stärken.
Resilienz
Das Konzept der Resilienz baut auf der Idee der positiven Psychologie auf. Diese legt den Fokus auf die Stärken von Menschen und ihren Ressourcen und steht damit im Kontrast zur klassischen, defizitorientierten Psychologie steht (Hartmann et al., 2020). Resilienz (lat. resilire: zurückschnellen) ist nicht zu verwechseln mit einer Immunität oder Resistenz gegen Stress, sondern ist vielmehr zu verstehen als das Erholen von stressigen Situationen und die Wiederherstellung der eigenen Handlungsfähigkeit. Damit ist Resilienz ein Prozess der positiven Anpassung im Angesicht ernsthafter Widrigkeiten. Positive Anpassung bedeutet, dass Menschen, die mit Widrigkeiten konfrontiert werden, dazu in der Lage sind, in einen Zustand von Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit zurückzufinden und möglicherweise sogar gestärkt aus der widrigen Situation hervorzutreten (Hartmann et al., 2020). Damit ist Resilienz grundlegender Bestandteil in der erfolgreichen Bewältigung von Krisen und spielt eine essentielle Rolle für unsere psychische Gesundheit (Schwenke et al., 2020; Britt et al., 2016).
Einige wichtige Faktoren, die als persönliche Ressourcen bezeichnet werden, sind entscheidend für den Aufbau unserer Resilienz. Unter anderem zählen zu diesen persönlichen Ressourcen
Achtsamkeit
Toleranz gegenüber Unsicherheit
Selbstwirksamkeit
Optimismus
Resilienz & Angewandte Improvisation
Tatsächlich konnten im Rahmen einiger Studien positive Auswirkungen von Angewandter Improvisation auf Resilienz stärkende Konzepte nachgewiesen werden. Aufgrund der Tatsache, dass Improvisation ohne geplanten Dialog abläuft, sind die Praktizierenden einem hohen Grad an Unsicherheit ausgeliefert. Um mit dieser von Unsicherheit geprägten Situation umgehen zu können, müssen die Spielenden in kürzester Zeit Entscheidungen treffen, ohne alle möglichen Variablen abwägen zu können und dementsprechend Risiken eingehen. Desertieren brauchen sie ein hohes Maß an Konzentration, um die Angebote der Mitspieler spontan aufgreifen zu können. Neben Vertrauen und Kollaborationswillen wird den Spielenden dadurch eine akzeptierende Grundhaltung näher gebracht - sowohl gegenüber den anderen Personen, als auch dem Produkt der Improvisation (Schwenke et al., 2020). Unter diesen Aspekten ist es wenig verwunderlich, dass sich bereits nach kurzen Interventionen aus der Angewandten Improvisation positive Effekte ergeben.
In einer Studie von Felsman et al. (2020) waren bereits nach einer 20-minütigen Sitzung bei den Probanden Verbesserungen in den Bereichen Toleranz gegenüber Unsicherheit und dem generellen Wohlbefinden im Vergleich zur Testgruppe zu beobachten. Unsicherheit gegenüber Toleranz ist insofern ein essentieller Faktor in Bezug auf das Stressempfinden, da sie beschreibt, inwieweit Menschen widrige Umstände als potentielle Gefahr und somit als eine Quelle von Stress, oder als eine Herausforderung bewerten (Schwenke et al., 2020). Somit kann eine erhöhte Toleranz gegenüber Unsicherheit als Schutzfaktor vor Stress dienen, da mit Unsicherheit umgehen gelernt wird und Situationen im Vorhinein als weniger bedrohlich wahrgenommen werden.
Die gleiche Studie von Felsman et al. (2020) konnte ebenfalls einen Anstieg in der Fähigkeit zu divergentem Denken belegen. Divergentes Denken wird als die Fähigkeit angesehen, dank der wir eine Vielzahl verschiedener Lösungen auf ein gegebenes Problem finden können (Felsman et al., 2020). Damit kann es hilfreich sein für uns als Individuen, um aus zur Gewohnheit gewordenen und möglicherweise destruktiven Mustern auszubrechen und neue Wege in Bezug auf Problem- und damit einhergehend Stressbewältigung zu finden (Schwenke et al., 2020).
Auch Schwenke et al. (2020) konnten Beweise dafür liefern, dass Angewandte Improvisation divergentes Denken stärkt und das allgemeine Wohlbefinden fördert. Zusätzlich konnten sie positive Effekte auf die Selbstwirksamkeit und das Selbstbewusstsein von Individuen nachweisen. Insgesamt ließ sich im Rahmen ihrer Studie beobachten, dass die Teilnehmenden verstärkt eine Denkweise entwickelten, die mögliche Fehler akzeptiert sowie den gegenseitigen Respekt und die Akzeptanz gegenüber individueller Schwächen steigert. Damit fördert Angewandte Improvisation eine positive Atmosphäre der Offenheit, des Vertrauens und der gegenseitigen Unterstützung innerhalb einer Gruppe (Schwenke et al., 2020).
Krueger et al. (2019) konnten sogar in therapeutischen Kontexten positive Effekte von Angewandter Improvisation auf Menschen mit Depressionen und Angstzuständen beobachten.
Diese eindrücklichen Ergebnisse belegen, dass durch Angewandte Improvisation persönliche Ressourcen, wie Toleranz gegenüber Unsicherheit, Selbstwirksamkeit und Selbstbewusstsein, die unsere individuelle Resilienz direkt stärken, sowie andere hilfreiche Ressourcen, wie das allgemeine Wohlbefinden und divergentes Denken, gestärkt werden können. Auch wir konnten ähnliche Effekte in der Vergangenheit in unseren Workshops und Trainings beobachten und sind dankbar, dass nun auch zunehmend wissenschaftliche Befunde unsere Bemühungen bestätigen!
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Quellen:
Britt, T. W., Shen, W., Sinclair, R. R., Grossman, M. R., & Klieger, D. M. (2016). How Much Do We Really Know About Employee Resilience? Industrial and Organizational Psychology, 9(2), 378–404.
Felsman, P., Gunawardena, S., & Seifert, C. M. (2020). Improv experience promotes divergent thinking, uncertainty tolerance, and affective well-being. Thinking Skills and Creativity, 35.
Hartmann, S., Weiss, M., Newman, A., & Hoegl, M. (2020). Resilience in the workplace: A multilevel review and synthesis. Applied Psychology, 69(3), 913-959.
Krueger, K. R., Murphy, J. W., & Bink, A. B. (2019). Thera-prov: A pilot study of improv used to treat anxiety and depression. Journal of Mental Health, 28(6), 621-626.
Schwenke, D., Dshemuchadse, M., Rasehorn, L., Klarhölter, D., & Scherbaum, S. (2020). Improv to improve: the impact of improvisational theater on creativity, acceptance, and psychological well-being. Journal of Creativity in Mental Health, 1-18.