Klar Kommunizieren - im Außen verständlich auftreten durch innere Stimmigkeit

“Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust.” Dieses bekannte Zitat aus Goethes Faust beschreibt, wie sich der Protagonist Doktor Faust innerlich zerrissen fühlt. Einen derartigen inneren Zwiespalt, bei dem verschiedene Stimmen in uns wild durcheinander reden, hat bestimmt jede*r schon einmal erlebt. Blöd nur, dass sich solche Konflikte nicht nur auf unserer inneren Bühne abspielen, sondern sie sich auch in unserer Kommunikation mit unseren Mitmenschen ausdrückt. Das ist kein Wunder - wie sollen wir unsere Bedürfnisse eindeutig formulieren, wenn wir selbst nicht genau wissen, wonach uns zumute ist und was uns grade antreibt…

Um zu verstehen, wo diese innere Unklarheit her kommt, werden wir uns in diesem Artikel mit dem Modell des “Inneren Teams” nach Friedemann Schulz von Thun und dem Modell der “Inneren Antreiber” nach Eric Berne beschäftigen. Lernen wir einmal, hinzuhorchen, was unsere inneren Stimmen uns mitteilen möchten, wird es viel leichter, konstruktiv mit unserer inneren Pluralität umzugehen.

Quelle: Volodymyr auf www.unsplash.com

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Was genau ist eigentlich Kommunikation?

Bei Kommunikation geht es darum, dass eine Person eine Botschaft formuliert (Sender*in) und sich mit dieser an mindestens eine andere Person wendet (Empfänger*in). Dabei ist es wichtig, dass beide Gesprächspartner über den gleichen Schatz an Symbolen und Zeichen (gelernte Bedeutung von Sprache, Mimik, …) verfügen, sodass sie einander verstehen können. Auch wenn beide über die annähernd gleiche Kenntnis von Zeichen und Symbolen verfügen, kann es trotzdem - und das kennen wir alle zu gut aus unserem eigenen Alltag - zu Missverständnissen kommen. Missverständnisse entstehen dann, wenn der/die Empfänger*in die Botschaft anders interpretiert, als der/die Sender*in. Das kann insofern zu Unzufriedenheit bei einem oder beiden Gesprächsteilnehmern führen, als dass Kommunikation immer mit einem Ziel betrieben wird. Das heißt: Eine Nachricht wird immer mit einem (mehr oder weniger bewussten) Bedürfnis formuliert. Kommt es nun zu einem Missverständnis, kann das Bedürfnis nicht befriedigt werden und es entsteht ein Potential für Reibung innerhalb der zwischenmenschlichen Beziehung (Röhner & Schütz, 2016).

Weiter oben habe ich geschrieben, dass an Kommunikation immer mindestens zwei Personen beteiligt sind. Eine Ausnahme bildet die sogenannte “intrapersonale Kommunikation”. Diese beschreibt die Kommunikation, die eine Person mit sich selbst betreibt, also zum Beispiel, wenn sich innere Anteile oder Antreiber zu Wort melden. Diese “intrapersonale Kommunikation” verfolgt die gleichen Regeln wie die Kommunikation zwischen mehreren Personen (“interpersonale Kommunikation”) und entsprechend werden auch dort immer mehr oder weniger bewusste Bedürfnis kundgetan.

Das innere Team

Friedemann Schulz von Thun, einer der bekanntesten deutschen Kommunikationswissenschaftler, geht in seinem Buch “Miteinander reden: 3” (1998) intensiv auf sein Modell des Inneren Teams ein. Er spricht von einer inneren Pluralität beziehungsweise Vielfalt, die sich darin widerspiegelt, dass wir verschiedene Stimmen in uns haben, die jeweils von verschiedenen Bedürfnissen angetrieben werden. Diese Stimmen sind häufig nicht im Einklang miteinander, sondern können durchaus auch in Konflikt miteinander treten. Ein kleines Beispiel: Wir schon seit einer Stunde auf unsere Kollegin. Nach einiger Zeit melden sich zwei innere Stimmen zu Wort, die uns mit ganz verschiedenen Anliegen beeinflussen möchten: So könnte sich ein wütender Anteil melden (“Das sie so viel zu spät kommt ist respektlos gegenüber mir und meiner Zeit!”) sowie ein versöhnlicher Anteil (“Bestimmt ist ihr was wichtiges dazwischen gekommen, sonst ist sie immer pünktlich.”). Natürlich können sich noch mehr als diese zwei Stimmen melden, an dieser Stelle soll allerdings nur kurz aufgezeigt werden, wie schnell es gehen kann, dass unsere inneren Anteile nicht mehr harmonisch auftreten, sondern gar gegenteilige Positionen einnehmen. Das Problem, vor das wir dann gestellt werden: Welchem Anteil mache ich es jetzt recht?

Quelle: Vlad Hilitanu auf www.unsplash.com

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Innere Antreiber

Innere Antreiber sind Stimmen, die besonders dominant werden. Das Modell stammt aus der Transaktionsanalyse, die auf den Psychiater Eric Berne zurück geht. Laut dem Modell gibt es fünf grundlegende Tendenzen, die wir alle in uns tragen, die sich aber bei manchen in Form einer besonders lauten inneren Stimme manifestieren. Die fünf grundlegenden Tendenzen sind:

  • Sei stark!

  • Mach es allen recht!

  • Beeil dich!

  • Sei perfekt!

  • Streng dich an!

Hier kannst du kostenlos unseren Antreiber Test inklusive praxisnaher Impulsfragen herunterladen und herausfinden, ob du Anteile hast, die dich als Antreiber oder sogar als Übertreiber beeinflussen.

Quelle: Randy Fath auf www.unsplash.com

Quelle: Randy Fath auf www.unsplash.com

Inneres Teambuilding

Wenn es sich einzelne Anteile, die an sich immer gute und wichtige Eigenschaften mit sich bringen, auf unserer inneren Bühne zu gemütlich machen und sich dort langfristig einrichten, werden sie zu Antreibern oder gar Übertreibern. In diesem Fall haben wir nicht mehr die freie Wahl über unser Verhalten. Stattdessen fallen wir, angetrieben durch unsere innere Stimme, in ein immer gleiches Verhaltensmuster. Folglich bleibt ein großer Anteil unseres Verhaltensrepertoires ungenutzt und andere innere Anteile (inklusive ihrer wichtigen Bedürfnisse) werden in den Hintergrund gedrängt.

In solch einem Fall hat es sich bewährt, Zeit und Energie in eine Art inneres Teambuilding zu investieren. Mit den Worten von Schulz von Thun (1988) gilt es, aus dem “zerstrittenen Haufen” ein inneres Team zu bilden, dessen Mitglieder konstruktiv und wertschätzend miteinander umgehen und kommunizieren. Während der “zerstrittene Haufen” am gleichen Strang aber in gegensätzliche Richtungen zieht, arbeitet das Team zusammen und bewegt sich in eine gemeinsame Richtung.

Wir selbst nehmen in diesem Team die Rolle des/der Teamleiter*in ein. Damit räumen wir uns die Kompetenz ein, vermittelnd und schlichtend wirksam zu werden, bei Konflikten einzuschreiten und in speziellen Situationen aufmüpfige Anteile sogar auch mal von der Bühne weg und ins Backstage zu schicken. So kann es uns gelingen, authentisch, also in Übereinstimmung mit uns selbst und den vielen inneren Botschaften, zu kommunizieren und gleichzeitig situationsgerecht zu reagieren auf Bedürfnisse und Anforderungen meiner Umwelt.

Quelle: Nick Fewings auf www.unsplash.com

Quelle: Nick Fewings auf www.unsplash.com

Für ein solches inneres Teambuilding sollte zunächst ein wenig Zeit investiert werden, um in Bezug auf eine beispielhafte Situation, (1) verschiedene innere Botschaften zu reflektieren, die von möglichen Anteilen an uns als Teamleiter*in herangetragen werden. Im nächsten Schritt können wir (2) den verschiedenen Stimmen einen wertschätzenden Namen geben (was leistet der Anteil positives für mich?) und sie somit ganz offiziell zum Teammitglied zu ernennen. Gleichzeitig macht diese Benennung die Arbeit mit den Anteilen leichter, da ein Name die innere Botschaft konkret und greifbar macht. Dann können wir uns die Zeit nehmen, und (3) die inneren Anteile auf unserer inneren Bühne einzeichnen. Hier können wir mit Elementen wie der Größe, dem Gesichtsausdruck und der Gestik, Accessoires und Symbolen noch einmal deutlicher machen, wer die einzelnen Anteile sind, welche Rollen sie in unserem Team spielen und wie sie in Beziehung zu anderen Anteilen stehen.

Wichtige Anmerkung: Jeder Anteil spielt immer eine wichtige Rolle - auch wenn er vielleicht erst einmal wie ein Störenfried wirkt. Ein wütender Anteil aus dem Beispiel oben mit der verspäteten Kollegin könnte zum Beispiel eine Schutzfunktion einnehmen, da er ganz aktiv für unser Bedürfnis eintritt, ernst genommen zu werden.


Abschließende Worte

Die Arbeit mit unserem inneren Team ist eine wunderbare und hilfreiche Methode, um bei uns selbst mehr Klarheit zu verschaffen darüber, was in uns vorgeht. Das wiederum erweist sich als wertvolle Ressource, wenn es darum geht, im Außen für uns selbst einzutreten: Wenn ich weiß, was ich will und brauche, kann ich das auch klar kommunizieren. Besonders hilfreich ist es, auf der Reise weg vom “zerstrittenen Haufen” hin zum inneren Team jemanden an der Seite hat, der im Prozess begleitend auftritt und unsere Perspektive spiegelt und erweitert.

Wenn du in der Vergangenheit Schwierigkeiten mit innerer Unstimmigkeit hattest oder neugierig geworden bist, welche inneren Stimmen alle in dir schlummern und wie mit ihnen, als einem funktionsfähigen Team, die nächsten Schritte in deinem beruflichen und privaten Leben gehen kannst, ist unser Coaching genau das Richtige für dich! Hier findest du alle näheren Informationen:



Quellen:

Kälin, K., & Müri, P. (2000). Sich und andere führen. Psychologie für Führungskräfte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bern: Ott Verlag.

Schulz von Thun, F. (1998). Miteinander Reden: 3. Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Schulz von Thun, F., & Stegemann, W. (2021). Das innere Team in Aktion. Praktische Arbeit mit dem Modell (12. Aufl.). Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt.

Röhner, J., & Schütz, A. (2016). Psychologie der Kommunikation (2. Aufl.). Wiesbaden: Springer.

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