Wo arbeite ich - und wenn ja, wie fühlen?
„Wenn alles nur eine Frage des Ortes wäre, hätten wir gar kein Problem,“ meinte der Polizist, der mir auf dem Bürgersteig gegenüberstand. „Sehen Sie,“ fuhr er fort: „wenn Sie hier nach 18 Uhr oder an einem Tag am Wochenende geparkt hätten, dann würde ich jetzt keinen Strafzettel schreiben und Sie würden sich nicht grämen keine Parkgebühr gezahlt zu haben.“ Zerknirscht nahm ich den Zettel an mich und war froh, noch einmal günstig davongekommen zu sein. Jahre später begegnete mir die Idee, dass es nicht nur um den Ort geht wieder. Dieses Mal in völlig anderem Kontext.
Wenn wir über den Arbeitsplatz sprechen geht es oft genau darum – den Platz. Sind wir zu Hause oder im Büro. Das Wo steht an erster Stelle. Mit zunehmender Technologie kamen jedoch neue Möglichkeiten hinzu. Wir können Arbeit parken, speichern und oft unabhängig von der Person, weiter daran feilen. Legen wir Ort und Zeit über eine Matrix, entsteht folgendes Bild hybrider Arbeitsmodi:
Verändert nach Gartner, 2021
Die Diskussionen um die Arbeitsweisen der Zukunft drehen sich meist noch um die synchronen Arbeitsweisen. Bist du zu Hause oder im Büro? Wann treffen wir uns? Wie viele Meetings hast du heute? In Deutschland sprang die Rate der von zu Hause Arbeitenden von 4 % vor der Pandemie auf den Spitzenwert von 27 % während des ersten Lockdowns im April 2020. Die Zahlen pendelten sich dann Ende des Jahres 2020 zwischen 14 und 17 % ein (Hans-Böckler-Stiftung, 2021). Es ist also eine Zunahme der „Zusammen Allein“ und „Allein Auseinander“ Arbeit zu verzeichnen. Synchrones arbeiten setzt voraus, dass wir zusammen sind und die Annahme ist, dass die Arbeit so schneller und besser erledigt werden kann. Leider ist nicht jedes Meeting auch wirklich nötig und so kommen andere Arbeitsmodi ins Spiel.
Gerade bei internationalen Teams, komplexen Aufgaben oder vollen Terminkalendern bietet sich asynchrones Arbeiten an. In diesen Modi, in ihrer Reinform, sind keine Meetings mehr nötig oder möglich. Es wird sich über Mails abgesprochen, doch auch diese weichen langsam und stetig Arbeit in der Cloud, wo man schnell zwischen synchronem und asynchronem Arbeiten wechseln kann. Etwa 1 % der Organisationen in den USA haben bereits einen Wochentag ohne E-Mail-Verkehr eingeführt (Gartner, 2021).
Doch nicht nur digital tut sich einiges auf dem Arbeitsmarkt. In die Planung des neuen Microsoft Campus flossen diese vier Arbeitsmodi mit ein. Es wurden verstärkt Räume geschaffen für die oberen zwei Modi unserer Matrix. Dabei wurde auch der „Allein Zusammen“ Modus mitgedacht. In aufwendig gestalteten Räumen, machen es sich Menschen bei einem Latte Macchiato gemütlich, die an ganz unterschiedlichen Projekten arbeiten. Microsoft simuliert so einige Vorteile von Co-Working Spaces. Man trifft sich mit Gleichgesinnten und Andersdenkenden an einem Ort und kommt ins Gespräch. Dieser Austausch führt zu stärkeren Netzwerken und bei komplexen Problemen auch zu besseren Lösungen (Epstein, 2019).
Als Nachteile des Homeoffice werden oft der direkte Kontakt zu den Kollegen und das Verschwimmen von Arbeit und Freizeit genannt. Die Balance zwischen Ort und Zeit beim Arbeiten zu halten, macht also Sinn. Doch jede Balance ist für jeden Arbeitnehmer unterschiedlich ausgeprägt. Genau hier finden wir ein fehlendes Puzzlestück unserer Matrix mit den vier Arbeitsmodi. Es geht eben auch um die Stimmung. Wie geht es den Menschen zu Hause?
Die meisten Menschen, die mir in meiner Arbeit begegnet sind, ging es gut. Dennoch schlug es öfter auf das Gemüt, dass man die eigene, neue Rolle, die neuen Kollegen, die neue Strategie der Abteilung oder gar der Organisation nicht richtig greifen konnte. Die gewonnene Freiheit kam mit dem Preis des im eigenen Saft Schwimmens. Fehlende Anbindung an ein Team oder ein Unternehmen führt dann auch zu weniger Austausch untereinander. Die Identifikation geht verloren. Wo arbeite ich und wenn ja, wie fühlen?
Gerade das Thema Stimmung wird auf der Arbeit oft unterschätzt. Dabei beeinflussen wir uns Menschen ständig mit unseren Stimmungen. Unser Hirn bastelt die Realität auf Grund von gefilterten Signalen zusammen und versucht Vorhersagen über die Zukunft zu treffen. Dabei assoziiert es Dinge in der Gegenwart mit Dingen aus der Vergangenheit. Wir kategorisieren wahnsinnig schnell. Deshalb kann ein Lächeln am Morgen schon einen entscheidenden Unterschied für den restlichen Tag ausmachen.
Wir halten also fest:
Hybrides Arbeiten wurde durch die Pandemie beschleunigt.
Viele größere Unternehmen versuchen die richtige Balance zwischen Freiheit, Struktur, Individualität und Gruppengefühl zu finden.
Dabei ist die Stimmung im Betrieb ein entscheidender Faktor, den wir beeinflussen können, um die Identifikation mit unserem Arbeitsplatz nicht zu verlieren.
Mehr zu diesem Thema in einem weiteren Blog oder auf unserer Konferenz zur Zukunft der Arbeit am 09.10.22 in der Volksbühne am Rudolfplatz in Köln. Es würde mich freuen, Sie dort begrüßen zu dürfen.