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Interview mit Resilienzexpertin Ella Amann: Mein Weg ist lernen

Ella Amann ist offen, freundlich und lacht gerne. Hinter ihrem Schreibtisch in Berlin kleben viele bunte Post-it Zettel an der Wand. Diese kleinen Klebezettel so strukturiert an der Wand zu sehen ist ein Symbol für Amanns Karriere. Sie musste flexibel sein, innovativ und organisiert, um als Pionierin im Improtheater und Resilienzforschung zusammen zu bringen. Sie hat sofort zugesagt, als ich sie über die Themen Resilienz und Improvisation befragen wollte. Herausgekommen ist dieses Interview:


Hallo Ella, wie waren deine Anfänge im Improvisationstheater?

Schon während meines Jura-Studiums habe ich meine Fühler nach Möglichkeiten mich anderweitig fortzubilden und auszudrücken ausgestreckt. Ich machte eine NLP-Ausbildung bei Bernd Isert und lernte Improvisationstheater über Kurse in der Kölner Südstadt kennen. Dort gründete ich mit Kollegen auch meine erste Improtheatergruppe - die Reisegruppe Columbus.


Schließlich trieb es dich aber nach München, wie ging es dort weiter?

Genau, ich schloss mich dem Fast Food Improvisationstheater in München an. Nebenbei habe ich für das freie Theater gearbeitet und Unternehmenstheater gemacht. Zudem begann ich Mitte der 90er Jahre die Möglichkeiten des Improvisationstheaters für das Gesundheits-Coaching und Business-Training auszuloten.

Die frühen 90er waren eine wilde Zeit. Keiner hat so richtig verstanden, was ich in meinen Trainings gemacht und entwickelt habe. Heute sind Themen wie Agilität und Resilienz in aller Munde, doch zu dieser Zeit gab es für viele Dinge in der Veränderungsarbeit noch gar kein Vokabular.


Nachdem du die Möglichkeiten des Improvisationstheaters in Trainingssituationen erkannt hast, hast du dich selbstständig gemacht. Was ist seither passiert?

Zwischen 1996 und 2006 habe ich in München begonnen als Lehrtrainerin für Improvisationstheater zu arbeiten und die Methode für den Unterricht zu systematisieren. Daneben arbeitete ich als Trainerin im Business-Bereich und spezialisierte mich auf Achtsamkeitstechniken-, Stress- und Brun-Out-Prophylaxe. Ich lernte zu Beginn der 2000er Jahre zudem Programmieren und die Grundlagen der agilen Arbeit kennen. Meine Ideen nahmen Strukturen und Formen an.

Nach 10 Jahren Entwicklungsarbeit und vielen praktischen Erfahrungen im Einsatz mit diesen neuen methodischen Ansätzen habe ich dann 2007 die erste Impro für Trainer Ausbildung angeboten. Drei Jahre später waren dann auch die Grundlagen für das integrative Resilienz-Zirkel-Training mit seinen acht Kompetenzfeldern gelegt. Inzwischen habe ich fast 200 Trainer Ausgebildet, Bücher geschrieben und vernetze mich im Rahmen meiner eigenen Ausbildungen immer stärker mit interdisziplinären Forschungsansätzen. Ich sehe meine Rolle vor allem als Brückenbauerin zwischen Forschung und Anwendung.

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Was fasziniert dich daran mit Forschern in Kontakt zu treten?

Mein Weg ist lernen. Ein Buch zu über eine neue Methode zu lesen ist das eine, doch mit dem Entwickler selbst arbeiten und von ihm Lernen zu dürfen ist die eigentliche Inspiration. Im Zusammenhang mit der Angewandten Improvisation und Resilienz interessieren mich vor allem die Forschungsarbeiten von Stephen Porges zur Funktionsweise des autonomen Nervensystems, die Arbeiten von Daniel Siegel zur Integration und zur Neuroplastizität. Die Frage ist immer: Wie steuert der Kopf den Körper und umgekehrt? Fasziniert haben mich ebenfalls die Arbeiten meiner Ausbilderin Divo Müller und ihrem Mann Robert Schleip, der an der Uni Ulm zum Thema Faszien forscht.

Ich mache die Erfahrung, dass sich unsere Interaktionsformen mit der verschärften Nutzung der sozialen Medien stark verändert hat. Mitarbeiter sind heute völlig neuen Stressoren ausgesetzt. Die Kommunikation leidet darunter. Es werden in der Alltagskommunikation weniger pro-soziale Signale gesendet und das Gefühl von sozialer Sicherheit nimmt ab. An dieser Stelle können die interdisziplinären Forschungsansätze zur Resilienz und zur Angewandten Improvisation einen großen Beitrag zur Verbesserung leisten.


Hat das auch deine Arbeit auf der Bühne beeinflusst?

Ja. Auch wenn ich heute nicht mehr so oft als Impro-Schauspielerin auftrete gibt es dennoch ein paar Projekte, die mir am Herzen liegen. In Berlin habe ich mit Kollegen vor einigen Jahren das Zen tá B. Projekt gestartet und eine sehr freie Spielform der Improvisation entwickelt, bei der Kontakt, Achtsamkeit und Storytelling eine zentrale Rolle spielen. Unsere Impro-Shows funktionieren ähnlich wie beim Jazz. Es gibt vier Impro-Spieler und dazu laden wir auch Impro-Gäste aus den Bereichen Musik oder Tanz ein, mit uns zu improvisieren.

Durch die Impro- und Resilienz-Ausbildungen hat sich mein Arbeitsschwerpunkt deutlich verlagert.

Und ich mag die internationale Zusammenarbeit mit den Impro-Kollegen, wie zum Beispiel 2013, auf der 8. internationalen AIN, Applied Improvisation Network Konferenz, die wir in Berlin ausgerichtet haben. Dort habe ich es sehr genossen, mich mit über 250 Impro-Kollegen aus aller Welt zu dem damals noch recht neuen Thema „Leadership, Resilienz und VUCA-Welt“ auszutauschen.

Wenn du in die Zukunft schaust, was sind dann für dich die nächsten Aufgaben und Entwicklungsschritte?

Im Kern ist es, die Themen Angewandte Improvisation und Resilienz noch enger zusammen zu bringen. Aber auch die Schnittstellen zu anderen agilen Techniken, wie z.B. Scrum oder Design Thinking stärker aufzuzeichnen. Dafür möchte ich weiter mit Forschern und Lehrenden aus verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten – wie zum Beispiel jetzt wieder, auf unserem 3. Innovations-Symposium in Zürich. Im Mittelpunkt steht der Austausch darüber, wie wir mit agilen Tools und Methoden die neue Arbeitswelt mitgestalten und transformieren können.

Wir haben es mittlerweile geschafft ein gemeinsames Vokabular zu schaffen und uns gegenseitig besser zu verstehen. Jetzt ist es für ich auch an der Zeit das gesammelte Wissen auch an die nächste Generation weiter zu geben.

Du hast einen langen Weg als Künstlerin und Trainerin hinter dir. Sicherlich war der Weg als Pionierin nicht immer frei und eben. Was würdest du dir selbst raten, wenn du heute dein Ich von vor 25 Jahren treffen würdest?

Halte durch, sei geduldig, es wird besser (lacht)! Und in den nächsten Jahren geht es erst richtig ab.

Vielen Dank für das Interview Ella. Es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen. Wer von Ihnen Ellas Arbeit näher kennenlernen möchte, kann sich auf die unten stehenden Veranstaltungen und Veröffentlichungen freuen.

Ich wünsche Ihnen eine resiliente Woche,

Ihr Dr. Ben Hartwig