Buchvorstellung: “Science and Spiritual Practices” von Rupert Sheldrake

Sheldrake und die Frage nach dem Sinn

Rupert Sheldrake ist ein Kämpfer. Mit seinen Experimenten und Theorien hat er sich schon einigen Ärger eingehandelt. Seine Meinungen polarisieren. Seine Arbeit als Wissenschaftler und sein gleichzeitiger Glaube an Gott polarisieren. Er als Mensch polarisiert. Grund genug mir einmal anzuschauen, worum so viel Wind gemacht wurde und wird.

In seinem neuesten Buch „Science and Spriritual Practices“ kommt Sheldrake recht zahm daher. Das Versprechen des Buches ist, dass Rupert Sheldrake zeigt, wie Wissenschaft sieben Praktiken validiert, die in den Weltreligionen schon lange praktiziert werden. Als Leser begibt man sich also auf die Reise durch Meditation, Dankbarkeit, der Verbindung mit der Natur, der Beziehung zu Pflanzen, Rituale, Gesang und Pilgerfahrten.

Die ersten Kapitel sind interessant geschrieben und Sheldrake trägt einige Veröffentlichungen zusammen, die, bei gesunder Psyche, dafür sprechen Meditation und Dankbarkeit zu praktizieren. In den weiteren Kapiteln bleibt die Wissenschaft dann mehr und mehr auf der Strecke. Im Zentrum steht nun Sheldrakes Theorie der morphischen Felder. Und an dieser Stelle habe ich auch zum ersten Mal gestutzt.



Morphologische Felder

Sheldrake sieht die Natur als einen lebenden Organismus an, in dem alles miteinander verbunden ist. Gott wird in dieser Weltanschauung nicht als einzelnes Wesen verstanden, sondern als eine interaktive Kraft im Universum. Als Untermauerung für diese Weltanschauung gibt Sheldrake Beispiele aus der Kristallforschung an.

Im Studium und während meiner Doktorarbeit bin ich mehrfach mit Kristallisationsprozessen in Berührung gekommen. Dieser chemische Prozess erlaubt es, dass man z.Bsp. die Form vom Erbgut in Zusammenhang mit Proteinen erfassen kann. Das ist komplex, da man viel von den gleichen Stoffen braucht und die richtigen Bedingungen für einen Kristall schaffen muss.

Sheldrake gibt an, dass die gleiche Kristallisation schneller und leichter reproduzierbar ist, wenn sie einmal gelang. Er führt dieses und andere Phänomene auf ein Gedächtnis der Natur zurück, welches über morphische Felder funktionieren soll. Diese Theorie hat in den 80ern für Aufsehen gesorgt und wurde danach ignoriert. Allerdings sind nun einige Wissenschaftler aus der Quantenforschung für eine Untersuchung dieser Theorie.

Zweifel am Fortschritt

Viele von Sheldrakes Experimenten hielten guter wissenschaftlicher Praxis nicht stand. Manche wurden von anderen Wissenschaftlern kopiert, die allerdings keine signifikanten Unterschiede fanden. Schön zusammengefasst ist das Dilemma mit Sheldrake in diesem Artikel:

"THE PROBLEM WITH RUPERT SHELDRAKE"

Ich schreibe Dilemma, weil ich sein Buch im Kern sehr genossen habe. Denn Sheldrake arbeitet den Stellenwert von Spiritualität sehr gut heraus. Er schreibt, dass der Anteil der Menschen, die nicht an Gott glauben und Natur maschinell betrachten, wächst. In dieser Weltsicht hat das Universum keinen tieferen Sinn und kein Bewusstsein. Der neue „Gott“ heißt hieße dann oft Fortschritt. Nicht immer mit einem guten Ende für den Menschen

Gerade in den Industrienationen sehen wir einen jährlichen Anstieg von psychischen Krankheiten. Es würde mich sehr interessieren, ob ein Zusammenhang zwischen unserer geistigen Gesundheit und einem fehlenden Lebenssinn bestehen. Warum also nicht das Gute aus den spirituellen Praktiken ziehen?

Fazit

Das Buch musste ich erst einmal eine Weile sacken lassen, da sich in mir viele Widerstände gegen Sheldrakes Position regen. Seine Theorie der morphischen Felder erklärt sich für mich durch fortschrittlichere Technik, Informationsaustausch und Epigenetik. Sheldrake gibt den Lesern praktische Tipps an die Hand und untermauert einige davon durch wissenschaftliche Veröffentlichungen.

Für einen wissenschaftlichen Geist ist das Buch harter Tobak und oft anstrengend zu lesen, weil es aufregt. Lässt man die Gefühle bei Seite und versucht den Theorien offen zu begegnen, lassen sich einige Erkenntnisse über die Natur, Rituale und die Sinnfrage gewinnen. Ich kann verstehen, dass Sheldrake kritisch gesehen wird und auch ich Zweifel seine wissenschaftliche Arbeit an. Dennoch bringen mich seine Ideen zum Nachdenken und ich freue mich auf eine Diskussion mit Dr. Sheldrake in der Zukunft.




Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche,

Ihr Dr. Ben Hartwig

Zurück
Zurück

Interview mit Hannah Rödiger: Nerven behalten und verstehen

Weiter
Weiter

Buchvorstellung: “The Brain” von David Eagleman